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Kölnische Rundschau vom 1. März 1963, Autor/Bild: Joachim Latka

Idylle im Kölner Norden bedroht

Geschichtsträchtigen Rheindörfern droht die Vernichtung

Fortschritt verlangt nicht nur Mut. Dazu gehört auch viel Rücksichtslosigkeit. Wenn sich die Pläne verwirklichen sollten, die Kölns Verwaltung mit den Rheindörfern im Norden vorhat, werden damit über tausend Jahre Geschichte einfach ausradiert. Denn die drei bedrohten kleinen Orte sind in Jahrhunderten gewachsen, lassen sich zum Teil bis in die Römerzeit zurückführen.

Trotz ihrer idyllischen Lage, trotz des geschichtsträchtigen Bodens, auf dem sie stehen, sind sie nur wenigen Kölnern bekannt. Alle großen Wege führen an ihnen vorbei. So haben sie ihren echten Dorfcharakter bewahrt. Die Rundschau wird in zwei Folgen Rheinkassel und Langel sowie Fühlingen vorstellen.

Wer von der Kölner Innenstadt her das Niehler Industriegebiet erreicht hat, muß sich hinter der Szenerie der mächtigen Industrieanlagen wie am Ende der bewohnten Welt vorkommen. Die Landschaft wird unendlich eben, verhalten farbig, gewinnt niederrheinischen Charakter. Doch die Alte Römerstraße führt weiter. Sie trägt ihren Namen wohlverdient, denn schon römische Kohorten und Kaufleute gelangten auf ihr bis 700 nach Christus über Neuß nach Xanten.

Ebenso wie die Nachbardörfer, sowie sie um 1922 zur Bürgermeisterei Worringen gehört haben, ist Rheinkassel in die Ehe mit Köln mehr geschlittert als geschritten. Es war eine Muß-Ehe, allerdings finanzieller Art. Denn die Inflation hatte das sowieso schon magere Steuersäckel der Bürgermeisterei völlig erschlaffen lassen.

Köln hingegen versprach geordnete Investitionen, bessere Verkehrsverbindungen, höhere Löhne, bessere Schulen und natürlich eine ordentliche Pension für den Bürgermeister. In einem Vertrag, datiert vom 4. Februar 1921, wurde dann von dem Beigeordneten Frenger aus Fühlingen und Oberbürgermeister Dr. Konrad Adenauer das Schicksal besiegelt.

Wie oft bei solchen Vereinbarungen, bei denen der eine Vertragspartner den anderen gewissermaßen integriert, sind viele Versprechungen unerfüllt geblieben. Keine Straßenbahn erschloß in den nunmehr fast 50 Jahren den dörflichen Norden. Und auch sonst entstand das Gefühl, Stiefkind der nahen Metropole zu sein.

Aber Rheinkassel hat mit seiner besonderen Mentalität schon andere Probleme gemeistert. Die Dorffamilie blieb, wie sie war und heute noch ist: hilfreich untereinander, immer bereit zu netten Festen und Feierlichkeiten. Die Schützenbruderschaft, dem Gründungsjahr 1468 eine der ältesten in Westdeutschland, organisiert auch für Langel und Kasselberg den traditionellen Schützenumzug. Der Bürgerverein pflegt Brauchtum und Chronik. Bis in die Bezirksklasse ist sogar der örtliche Fußballklub vorgedrungen. Was brauchen die Rheinkasseler da Köln?

Aber trotz aller geschichtlichen Daten und Ereignisse, die sich um das kleine Rheindorf spinnen ließen, leidet Rheinkassel an einem mächtigen Loch in seinem „Gedächtnis". Denn wie überall am Rhein tobten sich auch hier die Kriege der Jahrhunderte aus. Und Schuld an dieser Lücke in der Dorfgeschichte war die Besetzung der Franzosen gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Sie haben, berichtet der jetzige Chronist der Gemeinde, Michael Reiff, die bis dato sorgfältig geführte Chronik Rheinkassels 1797 in barbarischer Einfalt vernichtet. So sind auch die Unterlagen über einen Brand verlorengegangen, der einige Jahrzehnte vorher fast das ganze Dorf vernichtet haben soll.

Von recht unfriedlichen Ereignissen weiß man auch in Langel zu berichten. Dort gibt den weit über 200 Jahre alten Cohnenhof, eine Gründung des Zisterzienser-Klosters Altenberg. Wo heute der Königsweg ahnungslose Spaziergänger hinführt, war im 13. Jahrhundert das Zeltlager der Fürsten, die bei der Wahl des Königs Wilhelm von Holland mitwirkten. Da aber Köln Bedenken gegen den Regenten angemeldet hatte und sorgsam die Tore verschlossen hielt, sahen sich die Edlen wutschnaubend gezwungen, ihre Hütten vor Köln - in Langel nämlich - aufzuschlagen. Was blieb, war ein Straßenname.