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Flächennutzungsplanänderung 218

Das Beinahe-Ende der Rheindörfer
(1969 - 1973)

Eine kleine Historie von Marco Blömer


Jedem, der ein wenig das Tagesgeschehen aus der Presse verfolgt, dürfte nicht entgangen sein, dass gar nicht mal so weit von uns entfernt ein paar Dörfer in naher Zukunft nicht mehr existieren werden. Die Rede ist von "Garzweiler 2" und den damit verbundenen Umsiedlungen der Bewohner kompletter Dörfer zwischen Elsdorf und Kerpen - zum "Allgemeinwohl" versteht sich. Wer einmal durch so eine Geisterstadt gefahren ist wird sich denken: Zum Glück kann uns das nicht passieren.
Falsch gedacht! Es wäre beinahe einmal so weit gekommen, dass die Rheindörfer Rheinkassel, Langel und Kasselberg sowie Merkenich und Fühlingen einer Wahnsinnsidee hätten weichen sollten. Die Idee eines riesigen Industrie- und Gewerbeareals Ende der sechziger Jahre. Einige Herren der Stadt, besonders Hochbaudezernent Werner Baecker, waren zu der Überzeugung gekommen, dass das Gebiet vom Militärring bis Worringen und vom Rhein bis zur A57 der ideale Standort wäre, um dort der "Pflicht" nach den Platzanforderungen einer wachsenden Industrie und aufstrebenden Unternehmen nachzukommen und den Weiterbau der "Neuen Stadt" (Chorweiler) sicher zu stellen. Es sollte nach modernsten städtebaulichen Aspekten geplant und gebaut werden, so ein "Missgeschick" wie in Godorf sollte nicht noch einmal passieren. Versüßt werden sollte den betroffenen Bürgern ihre Entscheidung mit großzügigen Entschädigungszahlungen und dem Versprechen alles zu errichten, damit sie sich in ihrer neuen Umgebung - nahe Chorweiler! - wohlfühlen. Überhaupt wollte man es nicht verantworten die Bürger der unausweichlichen Lärmbelästigung und Umweltverschmutzung auszusetzen und wollte ihnen auf gar keinen Fall zumuten von der "hochattraktiven" Neuen Stadt durch ein alternatives Gewerbegebiet abgetrennt zu sein. (Man sieht was aus dieser Überlegung geworden ist.) Um die Entschädigungskosten nicht noch weiter in die Höhe schnellen zu lassen, wird von der Stadt untersagt wertsteigernde Maßnahmen an seinem Grund und Boden auszuführen.
Das war im März 1969. Im selben Jahr bekommen die betroffenen Gebiete von der Planung Wind und gründen jeweils eine Aktionsgemeinschaft - der Vorsitzende des Bürgervereins der Rheindörfer war Heinz Lemmens sen., Spediteur. Mit ihm wird, in Zusammenarbeit mit den anderen Bürgervereinen, der Protest gegen diesen Plan aufgenommen. Es wird ein langer Protest gegen die Beschlüsse der Stadt; Petitionen werden verschickt, Einsprüche erhoben, Unterschriften gesammelt, Forderungen aufgestellt, Alternativen erarbeitet und schließlich am 22. Juli 1970 von der Stadt eingeladen vor dem Ferienrat(!) der Stadt, seine Bedenken und Argumente vorzutragen, auch Heinz Lemmens sen. hielt seine Rede vor dem Rat, in der er auf die mittlerweile unerträgliche Situation für die Bevölkerung hinweist.
Die Stadt ließ sich nicht überzeugen, die Planungen schritten voran doch der Protest ging weiter: Ein Alternativplan wurde erarbeitet und - warum auch nicht - ein Gedicht verfasst, Protestplakate geklebt und Forderungen gestellt. Die Medien begleiteten die Geschehnisse die ganze Zeit und in einem dem Plan kritisch gegenüber stehenden WDR-Bericht wird schon auf den Höhepunkt der Protestbewegung hingewiesen:
Die Demonstration am 2. September 1971.
Um einen möglichst eindrucksvollen Protestmarsch zu hinterlassen wurde die Bevölkerung zur lückenlosen Teilnahme aufgerufen und über den genauen Ablauf informiert. Es wurden Protestbanner erstellt und ein Sprechchor geschrieben. Sogar die ZEIT berichtete über die Vorgänge im Kölner Norden.
1972 wurde "218" Motto einer sehr kleinen Fussgruppe im alljährlichen Karnevalszug.
Der Protest schien langsam zu fruchten, denn knapp drei Wochen später erklärt Oberstadtdirektor Dr. Mohnen in Merkenich, dass es nun doch Möglichkeiten gibt, die Rheinorte erhalten zu können. Es wurde weiter nach Alternativen, Kompromissen und Lösungen gesucht. Viele Ratssitzungen zu FläPä 218 zogen ins Land bis schließlich Ende März 1973 von der Stadt die erlösende Nachricht verkündet wurde:
Die Rheinorte bleiben erhalten!
Das Warum und Wieso schien für die Bevölkerung in diesem Moment völlig uninteressant, wahrscheinlich hatte die Stadt die Kosten doch gewaltig unterschätzt und der Druck und die Kritik an die Adresse der Stadt war wohl auch nicht zu verachten. Für die Einwohner hieß aber nun aufatmen und stolz auf sich zu sein, ihr Protest hat etwas bewirkt und wir können heute noch dankbar dafür sein.
Heinz Lemmens erhielt dafür das Bundesverdienstkreuz.

Ein Bericht des Kölner Stadt-Anzeiger war Auslöser dieser Seite die erstellt wurde, damit diese Beinah-Katastrophe nicht in Vergessenheit gerät.

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle an meine Material-"Lieferanten", die Familie Lemmens und Reiner Odendahl, ohne deren Hilfe dieser kleine Bericht mit Zubehör nicht möglich gewesen wäre.
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