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Die Heimat als Kriegsschauplatz
Ortschaften Rheinkassel - Langel - Kasselberg

von Peter Dümbgen


Februar-März 1945:
Die Front rückt näher. Die Endphase für unsere Ortschaften begann. Die Amis starteten einen Großangriff im Kölner Norden. Vorher hatten die Deutschen die Hauptstreitkräfte auf die rechte Rheinseite verlegt. Der verbliebene Rest war außerstande, den anstürmenden Amerikanern Paroli zu bieten. Deutsche Verteidigungslinien wurden zurückgenommen.

Am 4. März begann das Schicksal unserer Rheindörfer:
Frühmorgens kamen die Amis von Sinnersdorf her über Roggendorf Richtung Worringen. Die Parteifunktionäre verschwanden, der Volkssturm hißte die weiße Fahne, die verteidigenden deutschen Soldaten gerieten in Gefangenschaft. Am Vormittag war Worringen in amerikanischer Hand.
Dann ging es weiter in Richtung Langel. Panzerspitzen voraus. Am Ortsausgang von Langel - am Königsweg - standen noch wenige Flakgeschütze zur Verteidigung schußbereit. Wenig Munition war vorhanden. Aus diesem Grunde waren einige Geschütze gesprengt worden, damit sie dem Feind nicht in die Hände fallen sollten. Dabei kam ein Unteroffizier ums Leben, der später am Kriegerdenkmal in Langel beigesetzt wurde.
Die amerikanischen Panzerspitzen wurden gestellt und 3 von ihnen kampfunfähig geschossen. Daraufhin drehten die Amerikaner ab. Wahrscheinlich vermuteten sie starken Widerstand. Die deutschen Geschütze setzten sich nach Rheinkassel ab.

Am 5.3.1945 war es dann um unsere Orte geschehen.
Laut Zeitzeuge Friedrich Beenen hatte sich vorher einiges zugetragen. 2 Spähwagen hätten die Aussichtslosigkeit eingesehen und verließen Rheinkassel. Die Soldaten forderten die Bewohner auf: Wenn wir durch das Tor von Klement weggefahren sind, dann hißt die Weisse Fahne. Sie hatten sich aber verrechnet, denn ihr Kommandant - ein Ritterkreuzträger schickt sie wieder in die alte Stellung. Auch sie hatten noch wenige Munition.
Zeitzeuge Josef Odendhal: Ein Kettenfahrzeug hatte sich getarnt hinter Sträuchern mit Richtung Langel. Ein Ritterkreuzträger hätte vom Dachgeschoß aus mit Fernglas die ankommenden Panzer beobachtet und den Befehl zum Schießen gegeben. Sie selbst hätten dann in den Keller gemußt.
Vorsichtig preschten die Panzerspitzen aus Langel heraus in Richtung Rheinkassel - Langel war inzwischen ohne Kampf erobert worden. Hier erlitten sie das gleiche Schicksal wie tags zuvor in Langel. Nachdem 2 Panzer abgeschossen waren und ein dritter durch einen Treffer Kettenschaden erlitt und in ein Rübenfeld raste, drehten sie wieder ab.
Am Nachmittag dann laute Geräusche von Fühlingen-Feldkassel her, so erlebte es Friedrich Beenen. Mit großem Aufgebot rückten die Amerikaner mit Panzer und Infanterie vor und besetzten Rheinkassel ohne Widerstand.
Aber noch war nicht alles vorbei. Die Flakstellung bei Lachem schoß in den Ort und richtete Schäden an.
Josef Odendhal erlebte mit anderen Bewohner, nach dem er in den Keller geschickt worden war:
Am späten Nachmittag hörten sie oben Geräusche und ein amerikanischer Soldat kam schwer bewaffnet zu ihnen. Ängstlich vernahmen sie, daß er nach deutschen Soldaten suchte. Kurze Zeit später hörten sie wieder Geräusche in der Küche. Dann kam wieder ein Ami runter, aber diesmal friedlich, ohne Waffen. Er verteilte Schokolade und Drops. In der Küche brodelten sie fleißig. In der großen Pfanne brieten sie mit vielen Eiern aufgeschlitzte Bratwurst zu Gehacktes. Woher sie Bratwurst hatten, konnten wir nur vermuten - erbeutet ! Tage später war er Zeuge, daß deutsche Artillerie den Funktionär Klinkenberg, der Pattens Adolf besuchte, durch eine Granate tödlich getroffen hatte.

Besatzung!
Die Eroberer nisteten sich ein. Das Hitlerreich hatte hier ein Ende, tausend Jahre sollte es dauern. Die Funktionäre hatten ausgedient, ihnen pfiff der Hosenboden.
Die meist schwarzen Ami-Soldaten führten sich wie Eroberer auf. Hausdurchsuchungen - angeblich wegen deutschen Soldaten - fanden statt. Deutsche Soldaten fanden sie nicht, dafür aber - was für den einzelnen wichtiger war - interessante Gegenstände, die sie sich als Souvenir aneigneten. Begehrt waren Andenken an die Hitlerzeit und besonders das Buch "Mein Kampf", Natürlich waren Eßwaren und Alkohol eine willkommene Beute. Verschlossene Schubläden wurden gewaltsam geöffnet - auch in meiner Wohnung - Papiere wurden zerstreut. Bei Schorns alle Geschäftspapiere. Mit gefundenem Zylinder - für sie was Neues - fuhren sie mit den Saalrädern des ehemaligen Radfahrclubs durch den Ort und freuten sich wie die Kinder.

Der Krieg war hier aber noch nicht vorbei. Die Deutschen auf der anderen Rheinseite schossen mit Artillerie rüber und beschädigten Besitz ihrer eigenen Landsleute. Ob sie den Amerikanern Schaden zugefügt haben? Sie trafen aber gezielt unsere alte ehrwürdige Kirche und zerstörten das Pfarrhaus, welches Brand fing und ausbrannte. Ob der deutsche Kanonier ein Kirchenhasser war? Pastor Beckers wurde obdachlos und bezog Wohnung nebenan bei Ethebers.

Wegen der Frontnähe wurden die Bewohner zum Verlassen aufgefordert. Sie evakuierten mit Kind und Kegel, teils mit Hab und Gut, auch teils mit ihrem Vieh in die Nachbarorte.
Hier muß gesagt werden, daß die Aufnahme vorbildlich war. Unser Opa Kürsten hatte vorgesorgt. Bevor die Besatzung stattfand hatte er im Keller unter dem Hauseingang neben der Treppe, die wertvollsten Sachen, Bettwäsche, Bestecke, Porzellan usw. eingemauert. Es wurde nicht gefunden und blieb sehr gut erhalten. Trotz Verbot kam er täglich nach hier und sah nach dem Rechten.
Josef Odenthal erzählt:
Er besaß ein Doppelsitzer-Paddelboot. Unter Einsatz seines Lebens paddelte er bei Nacht von Kasselberg aus Soldaten nach drüben und brachte Fahnenflüchtige nach hier. U.a. Heinrich Lossignol mit Fahrrad, der später als Schutzmann J. Odenthal ein Protokoll machen wollte, weil er ihn ohne Licht am Fahrrad gestellt hatte. Nur auf gutes Zureden eines anderen ließ er es sein.
6 Wochen dauerte der Zustand.
Dann setzten die Amerikanern auf der anderen Rheinseite ihre Offensive fort. Die Besatzer zogen ab. Der Alltag kehrte zurück. Bestandsaufnahme fand statt, Arbeit gab es massenhaft. Kriegsschäden wurden beseitigt.

Nicht der Alltag von früher kehrte ein, nicht alle Tränen versiegten:
  • Trauer um die Gefallenen
  • Ungewißheit wegen den Vermißten
  • Bangen um die in Gefangenschaft Befindlichen Manche Familie verlor den Vater, den Ernährer. Eltern beweinten den Verlust ihres Sohnes. Und noch herrschte Ungewißheit, ob ihr Angehöriger noch lebte und evtl. in welcher Gefangenschaft er war.
    Einer nach dem anderen kehrte heim, teils nach Jahren. Wohl denen, an denen der Kelch vorübergegangen ist.

    Herr, laß nicht zu, daß sich jemals eine derartige Zeit wiederholt!
    Laß alle Kriegsopfer ruhen in Frieden!



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