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Kölner Stadt-Anzeiger vom 15. Dezember 2014, Autor/Bild: Nonnenbroich/Fuchs

Mit der Fähre den Stau umschiffen

Sperrung der maroden Autobahnbrücke sorgt für Staus an den Anlegern

Zu Stoßzeiten stehen manchmal 100 Wagen vor dem Anleger der Fähre in Köln-Langel. Sie profitiert von den Problemen um die marode Leverkusener Brücke. An den Fahrplan hält sich der Kapitän nicht mehr. Das Schiff fährt ohne Pausen.

30 Autos stehen am Anleger der Rheinfähre in Köln-Langel und warten auf die Fahrt über den Rhein nach Leverkusen-Hitdorf. Als das Schiff ablegt, müssen zehn Wagen warten: Für sie ist kein Platz auf dem Schiff, das maximal 20 Fahrzeuge in einer Tour über den Strom transportieren kann. Unmut macht sich unter den Wartenden breit – sie müssen auf die nächste Überfahrt warten. Dabei haben die Autofahrer noch Glück: Zu Stoßzeiten stehen auch schon mal 100 Wagen vor dem Anleger.

„Wir sind nicht das Problem, das Übel ist die marode Brücke in Leverkusen“, sagt Fährmann Hans-Gerd Kohlmann. An den Fahrplan hält sich der Schiffskapitän schon lange nicht mehr. Seit dem der Rheinübergang zwischen Leverkusen und Köln für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen Gewicht gesperrt ist, kollabiert der Zeitplan regelmäßig zu den Stoßzeiten im Berufsverkehr – der Fahrplan ist Makulatur, das Schiff fährt ohne Pausen über den Rhein.

„Früher habe ich während des laufenden Betriebs die Luft- und Dieselfilter der Maschinen gewechselt. Das mache ich nun nach Feierabend“, erklärt der Kapitän. Schönheitsreparaturen habe er, bis zur Fahrspursperrung auf der Brücke, mit seinen Mitarbeitern selber ausgeführt. Dafür bleibe jetzt keine Zeit. Schiffskassierer Matthias Müller, Kassierer auf dem Schiff, pflichtet seinem Chef bei: „Im Berufsverkehr bleibt oft kaum Zeit zum Toilettenbesuch.“ Das Einweisen der Fahrgäste und das Kassieren hat Müller bis vor einigen Monaten noch alleine erledigt. „Jetzt sind wir in den Stoßzeiten zu zweit“, sagt er. Immer wieder schweift der Blick von Kapitän Kohlmann während der Überfahrt zur Autobahn – neben ihm liegt ein Fernglas griffbereit. „Wenn ich in Leverkusen einen Unfall sehe, ordere ich sofort einen zusätzlichen Kassierer. Dann weiß ich, es wird bei uns eng“, sagt der Fährmann.

Lieferwagenfahrer Willi Luven aus Mönchengladbach muss mehrmals in der Woche über den Fluss. Die Fähre sei spitze, schwärmt er. Die Brücke dagegen könne man vergessen. „Die ist ein Albtraum. Die Autos stauen sich morgens und abends oft schon mehrere Kilometer vor dem Abzweig von der A59 auf die A1. Da geht oft gar nichts mehr“, erzählt Luven. Bis zu einer Stunde habe er schon auf der Brückenzufahrt gestanden. Der Stop-and-go-Verkehr zerre an seinen Nerven. In der Wartezeit und während der Rheinüberquerung könne er immerhin die Zeitung lesen. Auch Mitarbeiter von Bayer Leverkusen nutzen mittlerweile im Werksverkehr zwischen Leverkusen und Dormagen die Rheinfähre. Bayer-Angestellte Conchita Fuchs erklärt: „Unsere Firma hat eine Sonderregelung getroffen. Wir quittieren nur die Überfahrt. Der Konzern zahlt dann die Sammelrechnung.“

Betreiber der Fähre sind die Stadt Leverkusen und die Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK). Dort reiben sich die Buchhalter angesichts der Zuwachsraten die Hände. „Im vergangenen Jahr stieg die Anzahl der beförderten Personen um rund 17 Prozent auf 271 034“, sagt HGK-Sprecher Michael Fuchs: „Wir haben 134 179 Autos transportiert – eine Steigerung von rund 35 Prozent zum Vorjahr.“ 2135 Lieferwagen brachten die Rheinschiffer im Jahr 2013 über den Fluss – eine Steigerung von 42,9 Prozent im Vergleich zu 2012. Angesichts der neuerlich verlängerten Sperrung der Leverkusener Brücke für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen werde der Umsatz wieder deutlich ansteigen. „Bis Ende November haben wir 178 000 Autos transportiert. Das sind rund 45 000 mehr als im Vorjahreszeitraum“, sagt Fuchs. Die Zahl der beförderten Transporter und Lastwagen (die die Fähre allerdings nur in Ausnahmefällen und nach Voranmeldung mitnimmt) hat sich im selben Zeitraum verdoppelt.

Nicht alle Anlieger sind froh über die beständig wachsende Zahl der Fährnutzer: Während Doris von Aalen, die am Anleger in Langel einen Imbissstand betreibt, wachsende Umsätze verbucht, äußert sich Yoel Brescacin, der Wirt des Restaurants „Zur Fähre“, weniger positiv: „Durch die langen Rückstaus haben unsere Gäste Probleme, unser Haus anzufahren.

Die Besatzung aber freut sich über den Ansturm auf ihr Schiff. Im Jahr 1965, als die Autobahnbrücke eröffnet wurde, war die Einstellung des Fährbetriebs für einige Verkehrsexperten bereits beschlossene Sache. Daran glaubt nun niemand mehr. Kassierer Müller ist sich sicher „Unser Schiff wird noch fahren, wenn die Brücke schon nicht mehr steht.“

Die Rheinfähre
Die Rheinfähre „Fritz Middelanis“ lief 1962 bei der Clausen-Werft in Oberwinter vom Stapel. Sie ist 42 Meter lang, elf Meter breit, wiegt 116,5 Tonnen und hat eine Ladefläche von 257 Quadratmetern. Sie wird von vier Deutz-Dieselmotoren à 80 PS angetrieben. Bis zu 20 Autos oder 250 Personen passen auf das Schiff, das eine Tragfähigkeit von 65 Tonnen hat. Der Leverkusener Industrielle und ehemalige Geschäftsführer der Fähre, Fritz Middelanis, gab dem Schiff seinen Namen. Betrieben wird die „Fritz Middelanis“ von der „Rheinfähre Köln-Langel/Hitdorf GmbH“, an der die „Hafen und Güterverkehr Köln AG (HGK) und die Stadt Leverkusen zu je 50 Prozent beteiligt sind.

Betriebszeiten
Das ganze Jahr hindurch ist die Verbindung in Betrieb (außer Heiligabend, dem ersten Weihnachtstag und Silvester). Vom 1. April bis 30. September , montags bis freitags von 6 bis 20.15 Uhr, samstags, sonn- und feiertags von 9 bis 20.15 Uhr. Im März und Oktober findet die letzte Fahrt über den Rhein jeweils um 19.30 Uhr statt, und der Fährbetrieb beginnt sonn- und feiertags erst um 10 Uhr. Vom 1. November bis Ende Februar können sich Fährgäste montags bis freitags von 6 bis 19.30 Uhr, samstags von 9 bis 18.30 Uhr und sonn- und feiertags von 11 bis 18.30 Uhr übersetzen lassen.

Fahrpreise
Fahrkarten für die einfache Fahrt kosten für Erwachsene 1 Euro, für Kinder von 6 bis 14 Jahren 50 Cent. Wer mit seinem Fahrrad über den Rhein möchte, zahlt 1,80 Euro, Motorradfahrer 2,10 Euro, Autofahrer 3 Euro. Für Lieferwagen bis 3,5 Tonnen kostet das Übersetzen 6 Euro.