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Kölnische Rundschau vom 27. Dezember 1993, Autor/Bild: Sauer/Wirtz

Bescheidene Bescherung

Weihnachten bei Familie Metz in Rheinkassel

Alexander Metz (21) aus Rheinkassel hatte sich seit Wochen auf das Weihnachtsfest im Kreis der Familie gefreut. Doch zu mehr als einem flüchtigen Kuß auf die Wange und der hastigen Übergabe eines Nageletuis reichte Heiligabend einfach die Zeit nicht. Er und sein Vater rannten während der Bescherung im „fliegenden Wechsel“ immer wieder vom Dachboden ins Erdgeschoß. „Einer von uns beiden mußte ständig auf die Pumpen aufpassen, die das Wasser aus dem Haus spülten“, beschreibt der junge Mann das „besinnliche Fest“ auf dem Gehöft am Ufer des Rheins. Seine Familie zählt zu den rund 60.000 Kölnern, die direkt von der Wasserflut betroffen sind.
Die hellbraune Holzvertäfelung an der Einbauküche ist beschädigt. Jetzt muß Alexanders Mutter ihr Geschirr mit der Hand spülen. „Die Spülmaschinentür ist vom Hochwasser verzogen, die läßt sich kaum noch öffnen“, schimpft die 43jährige. Das Hochwasser des Rheins überflutete das Gehöft am Kasselberger Weg so heftig, daß die Familie ihre Wohnungstür drei Tage lang nur mit dem Schlauchboot erreichen konnte. In der Küche stand das Wasser fast kniehoch.

Wenn Vater Dieter Metz in Gummistiefeln über die beigefarbenen Kacheln vor der Anrichte geht, knirschen die braunen Sandlachen unter ihm. Das inzwischen abgeflossene Wasser hat sie hinterlassen. „Die Sauerei müssen wir hier erst mal wegkriegen“, erklärt er resigniert. Der ganze Hof ist mit einem dicken braunen Schlammfilm überzogen.

„Für uns gab es kein Weihnachtsfest“, berichtet Ehefrau Monika. Heiligabend hätten sie sich mit Kartoffelsuppe und Bockwürstchen begnügen müssen. Ein paar Kerzen zündeten sie an, um wenigstens ein bißchen Weihnachtsstimmung in ihrem feuchten Haus zu haben.

Sohn Alexander steht im schwarzen Feuerwehrparka im weiß verputzten Wohnzimmer zwischen den gebeizten Antikmöbeln, die er und sein Vater auf Eisengestelle aufgebockt haben. Die Couch mit dem blau-grauen Samtcord-Bezug hat die Überschwemmung im Wohnzimmer überstanden. Sie war leicht genug, damit Dieter Metz sie auf zwei Böcke heben konnte. Doch selbst mit vereinten Kräften war es Vater und Sohn nicht gelungen, auch die zwei Meter lange, massive Truhe auf Tischböcke zu heben. Sie ist nur auf fünf übereinander gestapelten Brettern abgestellt – und stand über die Festtage eine Handbreit tief im Wasser. Ironie klingt aus Alexanders Stimme, wenn er sagt, Wasserkatastrophen gehören eben zu seinem Job bei der Freiwilligen Feuerwehr. „Wir haben das Schlimmste ja fast überstanden“, meint er. Und das beweist auch die kleine gasgefeuerte Handlampe, die neben der Spüle steht. Mehrfach fiel der Strom aus, da mußte die Familie dann mit dem blauen Stahlbehälter in der Hand, der so groß ist wie eine Suppendose, durch das Wasser im Erdgeschoß waten. Das Licht des weißen Lampenschirms auf dieser Miniaturgasflasche bewahrte sie davor, über die überschwemmten Treppenstufen in der Küche zu fallen. Inzwischen kommen sie aber wieder ohne die Gasleuchte aus.

Die hauseigene Kläranlage hinter dem Backsteinbau ist schon seit vergangenem Donnerstag außer Betrieb. „Wenn wir mal zur Toilette müssen, dann höchstens beim Nachbarn“, grinst Alexander. „Oder einhalten“, fügt er hinzu. Doch das stört ihn offenbar nicht so stark wie der zerstörte Partyraum in der Scheune. „Hier haben wir schon tolle Feste gefeiert“, sagt er mit trauriger Miene. Und jetzt sei „alles hin“. Die Zapfanlage an der selbstgezimmerten Theke ist vom Rheinwasser verdreckt. Die alles überflutende braune Brühe hat auch vor der Polstergarnitur nicht halt gemacht. Die Beine der hellen Kiefergestelle sind naß und die beigen Polster klamm.

Draußen auf dem Hof schallt das Bellen von Rottweiler Nicki. Über die Festtage durfte er die Fichte bewachen – ungeschmückt steht sie immer noch im Holzschuppen. Dieter Metz: „Wir sind vor lauter Wasser nicht mal dazu gekommen, unseren Baum im Wohnzimmer auszustellen.“