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Kölner Stadt-Anzeiger vom 28. Februar 2012, Autor: Görtz / Bild: Rakoczy

"Fritz" auf dem Trockenen

Rheinfähre wird in Stand gesetzt

Die „Fritz Middelanis“ ist nicht mehr in ihrem Element. Statt auf den Wogen des Rheins zwischen Langel und Leverkusen-Hitdorf zu schwimmen, liegt die Fähre derzeit im Trockendock einer Kölner Werft, aufgebockt auf mehrern Dutzend dicker Holzbalken. Das 50 Jahre alte Schiff wird eine Woche lang auf Herz und Nieren untersucht – reine Routine, alle fünf Jahre muss es sozusagen zum Tüv. Dann kommt ein Sachverständiger der „Schiffsuntersuchungskommission“, die alle Schiffe unter deutscher Flagge kontrolliert, zur Begutachtung. Er entscheidet, ob die „Fritz Middelanis“ weiter Menschen und Autos über den Fluss transportieren darf. Das wird aller Voraussicht nach morgen wieder der Fall sein, bis dahin soll die Untersuchung abgeschlossen sein.

Mit drei so genannten Wagen war der Koloss zunächst an Land gezogen worden. Die Fähre legte an, dann wurden die auf Gleisen laufenden Wagen unter das im Wasser liegende Schiff gefahren, auf denen es dann längsseits das Ufer hinauf glitt. Später wurden die Wagen durch Holzbalken ersetzt. Jetzt geht Werft-Arbeiter Ferdinand Swoboda gebückt unter dem Schiff her. Mit einer Flex schleift er an einigen Stellen den schwarzen Anstrich des Rumpfes ab und hält ein Ultraschallgerät an den blanken Stahl. Er misst die Dicke des Bodens. „Sechs Millimeter, also in Ordnung“, befindet er. Mit der Zeit nutzt sich der Boden ab. Er rostet – trotz des speziellen, extrem beständigen Anstrichs. Einige wenige Bereiche haben nicht mehr die erforderliche Mindeststärke. Hier werden ganze Platten herausgeschweißt und neue eingesetzt. Plötzlich bewegt sich die „Fritz Middelanis“ einige Zentimeter auf den Holzstützen. Immer noch sind Arbeiter unter dem 116,5 Tonnen schweren Schiff zugange. Aber sie schweißen weiter, völlig unbeeindruckt. Der kleine Ruck war beabsichtigt, die Position auf dem Trockenen wurde – kontrolliert – verändert.

„Über Kopf unter einem tonnenschweren Schiff schweißen, das kann nicht jeder“, weiß Werft-Geschäftsführer Hans Klaus Sander. Bei der Arbeit unter einem Stahlungetüm, das auf ein paar Holzklötzen liegt, „fängt bei denen, die es nicht gewohnt sind, das große Zittern an“, sagt Sander. Den Namen der Werft möchte er lieber nicht in der Zeitung lesen. Es seien nachts schon Hobbyfotografen in den Betrieb eingebrochen, um vom seltenen Anblick der Fähre an Land Bilder zu machen. Nur so viel: „Die nächste Werft dieser Größe ist in Duisburg“, dem größten Binnenhafen der Welt. Bis zu 110 Meter lange Schiffe kann Sander in seiner Anlage an Land ziehen. Da ist die Fähre mit 42 Metern Länge ein kleiner Fisch.

Neben der peniblen Untersuchung des Bodens werden auch die Schiffsschrauben betrachtet. „In der Berufsschifffahrt heißt das Propeller“, erläutert Schiffstechnik-Ingenieur Frank Hebel. Die „Fritz Middelanis“ verfügt über vier Propeller, die jeweils einen Durchmesser von 70 Zentimetern haben und 40 Kilogramm wiegen. Jeder einzelne ist schwenkbar. Mit ihrer Hilfe manövriert der Steuermann, Seitenruder gibt es nicht. „Diese Propeller haben nur ganz normale Kampfspuren“, konstatiert Hebel. Kleine Schrammen von Treibgut oder Grundberührungen. Dennoch werden die aus Mangan-Bronze gegossenen Teile neu ausgewuchtet, die jeweils drei Flügel erhitzt und neu ausgerichtet. Auch die beiden hydraulischen Rampen, über die bis zu 21 Pkw und 250 Personen pro Rheinüberfahrt auf die Fähre gelangen können, werden überprüft. Die Aufbauten, etwa das Steuerhaus, sind nicht Teil dieser Routineuntersuchung.

Werft-Arbeiter Swoboda hat keinen Zweifel daran, dass der Gutachter der Schiffsuntersuchungskommission der „Fritz Middelanis“ seinen Segen für die kommenden fünf Jahre geben wird: „Die Grundsubstanz ist ja vernünftig.“ Zwar sei die 1962 erbaute Fähre „schon ein Liebhaberstück. Aber die geht noch nicht in den Hochofen“, sagt Swoboda im Rheinschiffer-Jargon. „In den Hochofen“ gehen Schiffe, wenn sie ausgedient haben. Dann werden sie zerteilt, und der Stahl wird in einem Hochofen eingeschmolzen. „Doch wenn die Fähre weiter so instand gehalten wird, hat sie noch mindestens 20 Jahre.“

WDR-Lokalzeit Köln vom 01.03.2012