Keine Navigationsleiste auf der linken Seite? Abhilfe

Kölner Stadt-Anzeiger vom 28. Februar 2002, Autor/Bild: Bos/Krasniqi

"Komme erst Ostern wieder raus, wenn alles trocken ist"

Camper und Anwohner in Kasselberg wissen, was zu tun ist, wenn der Rhein aus seinem Bett schwappt

Alle Jahre kommt der Rhein nach Kasselberg. Doch die Einwohner des Vororts im Kölner Norden lassen sich nicht beirren.
Der Uferweg nach Kasselberg ist schon überflutet. "Weihnachtsbäume aus der Tannenschonung". Das verspätete Schild ragt aus dem Rhein. Im Ort sind die Hochstiege vor den Türen bereits aufgebaut. Kinder toben über aufgeschichtete Sandsäcke. Heute soll der Kasselberger Weg - bei einem Pegelstand von 8,35 bis 8,65 Meter - auch hier "Land unter" melden.
"Bitte nicht füttern" gebietet ein Hinweis am Gatter. Dahinter der Fluss. "Das lass' ich auf mich zukommen", flötet Sonja Joppien fröhlich auf die Frage nach der Hochwasser-Panik. Die 21-Jährige wohnt seit drei Jahren in dem oft sehr, manchmal weniger beschaulichen Weiler. Es ist ihr drittes Hochwasser. Bis jetzt habe sie erst den Keller ausgeräumt. "Das Wasser soll nur bis zur Hauskante kommen." Ein Grund wegzuziehen? "Absolut nicht", lacht Joppien.
"Ich hab' den schönen Platz da unten." Camper Edwin Klübenspies zeigt auf einen Baum mitten im Rhein. "Letzte Woche hab' ich hier, noch eine Wasserleitung gelegt." Seit vierzehn Jahren hat der Mann aus Nippes seinen Wohnwagen Stellplatz in Kasselberg, zehn Hochwasser hat er erlebt. "Inzwischen fahre ich meinen Wagen Ende Oktober in die Halle und komme erst Ostern wieder, wenn alles trocken ist." Klübenspies' Camping-Grund wird schon bei 6,20 Meter geflutet. "Aber im Sommer ist das so schön hier. Wie im Urlaub." Seit sieben Uhr morgens hilft der 59-Jährige beim großen Exodus der Wohnwagen. "Wir holen die Wagen mit fünf Zugmaschinen raus", informiert Edwin Klübenspies. Eine der "Zugmaschinen" ist ein jägergrüner VW "Variant": "Fährste mit Willi?" Einige alte Männer stehen um den Variant, koppeln den nächsten Wohnwagen an. Sie machen hier den Job. Routiniert, gelassen.
Horst Anacker ist gerade aus Remscheid angekommen und blickt auf die überspülte Wiese. "Da stehe ich sonst." Aus dem trüben Wasser winkt noch die Spitze eines Pollers. "Warum soll ich mich ärgern?", meint Anacker, "mit dem Wirt ist das wunderbar. Der holt die Wagen ins Trockene." Der Wirt, Erich Bast, thront auf einem alten Trecker. Bast zapft im "Kasselberger Gretchen" - dem gesellschaftlichen Zentrum der Ortschaft. "Jedes Jahr dasselbe Spiel", sagt Bast. Sagt. Fluchen nützt nun mal nichts. Es ist an alles gedacht. "Ich hab' kein Bier mehr im Keller. Aber so hoch kommt das Wasser diesmal nicht." Schwappt der Rhein über die 9,60 Meter-Marke, wird das "Gretchen" nass. Der Schankraum ist vorausschauend gekachelt. Bis 16 Uhr sind die meisten Wagen weggeschafft. Höchste Zeit. Jetzt öffnet Bast das "Gretchen". Hier besprechen und beraten sich die Dorfbewohner, machen sich Hoffnung. "Neugierige", wie Bast Hochwasser-Touristen nennt, kommen auch. Wenigstens trinken die ein Bier.