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Kölner Stadt-Anzeiger vom 12. März 2013, Autor: Damm

Höchstspannung im Wohngebiet

380.000-Volt-Trasse tangiert Rheindorf

Für die Rhein-Energie AG ist es eine Premiere: Im Kölner Norden will die städtische Tochtergesellschaft erstmals eine Höchstspannungsleitung für 380 000 Volt bauen, um selbst erzeugten Strom in das bundesweite Übertragungsnetz einzuspeisen. Nach Auffassung des Bauverwaltungsamts bringt das Vorhaben allerdings „Konflikte“ mit sich – denn die Trasse soll in unmittelbarer Nähe zu Wohnhäusern in Merkenich und Kasselberg verlaufen. Amtsleiterin Angela Thiemann hat ihre Einwände der Bezirksregierung mitgeteilt, die das Bauvorhaben in einem Planfeststellungsverfahren noch genehmigen muss.

Ihrem Antrag zufolge will die Rhein-Energie das Höchstspannungskabel von dem künftigen Gas- und Dampfturbinenkraftwerk im Niehler Hafen aus zunächst acht Kilometer Richtung Norden unterirdisch verlegen. Vom Umspannwerk in Merkenich aus soll die Trasse oberirdisch weitere 3,3 Kilometer bis zur Stadtgrenze verlaufen. Nördlich der Leverkusener Brücke wird die Leitung den Rhein überqueren, um in Opladen auf das überregionale Netz der Amprion GmbH zu treffen.

In Merkenich will die Rhein-Energie ihre bestehende Trasse nutzen. Derzeit gibt es dort zwei parallel verlaufende Leitungen für je 110 000 Volt. Die 38 Meter hohen Masten sollen abgebaut werden. Die künftigen Träger, an denen dann alle drei Adern befestigt sein werden, sind sechs Meter höher.

Doch die Bauverwaltung äußert Bedenken. „Der Trassenverlauf führt, auch wenn bereits eine Leitung Bestand hatte, zu Beeinträchtigungen der betroffenen Wohnbebauung“, heißt es in der Stellungnahme Thiemanns. Bewohner angrenzender Häuser müssten sich auf einige Nachteile einstellen: Einschränkungen in den Eigentumsrechten, Störungen empfindlicher Geräte, Wertverlust des Grundstücks, durch elektrische Entladungen erzeugte Knister-, Prassel- und Brummgeräusche.

Ein Erlass des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums schreibt der Stadt vor, in ihren Bebauungsplänen einen Schutzabstand von 40 Metern zu 380 000-Volt-Kabeln einzuhalten. Die geforderte Entfernung zu Wohnhäusern wäre durch die geplante Trasse „zum Teil unzulässigerweise“ unterschritten, warnt Thiemann. „Dadurch wird in die Planungshoheit der Gemeinde eingegriffen.“

Da die neuen Masten breiter sind als ihre Vorgänger, würden die Leitungen in Merkenich über mehrere Hausgärten führen. „Besonders kritisch“ sei die Situation an der Alte Römerstraße in Rheinkassel. „Durch die geplante Neubautrasse liegt ein Wohnhaus unter den Leitungen“, heißt es in der Stellungnahme. Weitere Häuser würden sich ebenfalls innerhalb des Schutzstreifens befinden.

Die Verwaltung verlangt in ihrer Stellungnahme, den Abstand zur Wohnbebauung zu erhöhen. Sollte das nicht möglich sein, müsse die Rhein-Energie das Kabel unterirdisch verlegen. Das jedoch würde nach Darstellung des Bauherrn deutlich teurer als eine oberirdische Leitung. Nicht zuletzt wegen der erforderlichen Rheinunterquerung sei mit den drei- bis vierfachen Kosten zu rechnen, heißt es bei der Rhein-Energie.

Die Frage, welche Ausgaben für die Stromtrasse veranschlagt werden, wollte das Unternehmen nicht beantworten. Die Kosten seien als Teil der Investition für das in Niehl geplante Kraftwerk zu betrachten; insgesamt rechne die Rhein-Energie mit 350 Millionen Euro. In der Branche gibt es die grobe Schätzung, dass eine Hochspannungsleitung pro Kilometer gut eine Million Euro kostet. Die geplante 380 000-Volt-Verbindung erfolgt unabhängig vom Ausbau des deutschen Netzes, mit dem der Ökostrom besser verteilt werden soll. Das Vorhaben der Rhein-Energie dient dem Ziel, das regionale 110 000-Volt-Netz nach Inbetriebnahme des neuen Kraftwerks vor Überlastung zu schützen. Die zweite Anlage im Niehler Hafen wird 450 Megawatt Strom liefern. Sie kann damit bis zu eine Million Haushalte versorgen. Eine derart große Strommenge könnte das Kölner Netz zeitweise überlasten. Durch den Anschluss an die überregionalen Transportleitungen trägt das Niehler Kraftwerk zudem dazu bei, Spannungs-schwankungen der Windenergie und Wasserkraft auszugleichen.

Ob die Bezirksregierung die Forderungen der Stadt berücksichtigen wird, ist fraglich. „Der Abstandserlass gilt nicht bei Planfeststellungsverfahren“, sagte Rhein-Energie-Sprecher Christoph Preuß dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Dass in Merkenich die 40 Meter nicht überall eingehalten sind, begründet deswegen keine ablehnende Stellungnahme.“ Mit betroffenen Anwohnern habe das Energieunternehmen bereits gesprochen. Oliver Moritz von der Bezirksregierung wollte die unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Stadt und ihrer Tochterfirma nicht bewerten. „Das Thema Abstand zur Wohnbebauung wird Gegenstand unserer Abwägung sein.“

Die Rhein-Energie geht davon aus, dass die Bezirksregierung nach den Sommerferien über die Genehmigung der Trasse entscheidet. Ende 2014 soll die Leitung stehen. Das Kraftwerk, dessen Bau in diesem Jahr beginnen wird, soll Anfang 2016 mit voller Leistung in Betrieb gehen.