Keine Navigationsleiste auf der linken Seite? Abhilfe

Die Heimat als Kriegsschauplatz
Schicksal Josef Schorn

von Peter Dümbgen


Ihm will ich einen Extra-Bericht widmen, denn sein Schicksal hat mich so getroffen, daß ich es nie vergessen konnte und werde. Heute sehe ich die Ereignisse noch genau wie vor 56 Jahren.

Dem Schicksal kann man nicht entgehen. Es kann so grausam sein und trifft Gute und Böse. Josef hatte es nicht verdient und hat sagen müssen: Herr Dein Wille geschehe!

Schon in der Wiege fing es an. Er wurde unehelich geboren, durfte nicht von der eigenen Mutter erzogen worden und mußte bei fremden Leuten aufwachsen.
Erst als die Eltern heirateten kam er im Alter von 8 oder 9 Jahren ins Elternhaus:
  • Schmal, groß, blaß, blond, immer freundlich,
  • liebenswürdig, bescheiden, helle Stimme,
  • sprach gutes Deutsch Alle mochten ihn. Auch unserer Familie war er sehr zugetan. Mit uns verbrachte er Urlaub im Schwarzwald.

    Josef war sehr musikalisch. Ohne große Ausbildung spielte er die Kirchenorgel perfekt und versah zu Kriegsbeginn die vakante Organistenstelle. Er hatte eine klare helle Stimme und sang, sehr zur Freude der Besucher, in der Christmette Krippenlieder.

    Schon früh kam er zum Arbeitsdienst und direkt anschließend wurde er von der Wehrmacht übernommen. Auf einer vorgelagerten Insel in Holland war seine Einheit stationiert und als die Invasion erfolgte, verlegten sie sie ins rückwärtige Gebiet.
    Als die Alliierten in großem Stil Luftlandetruppen bei Borken absetzten, bekam die Einheit von Josef - alles 18 jährige und junge Offiziere - den Befehl, die vorrückenden feindlichen Panzer zu bekämpfen. Vor der Kirche in Stadtlohn mußten sie sich einbuddeln und mit Panzerfäusten die Gegner aufhalten.
    Dann geschah es! Josef wurde verwundet und in die Kirche getragen. Wie schwer die Verwundung war, ist unbekannt. Hätte ihm geholfen werden können? Hat er starke Schmerzen gehabt? Wie lange hat er gelitten? All dies ist unbekannt und bleibt ein Geheimnis.
    Er hat die Verwundung nicht überlebt und starb den Heldentod!

    Vorstehende Geschichte erfuhren wir von einem Kameraden wie folgt:
    Für uns in Rheinkassel galt Josef als vermißt. Ein halbes Jahr später kam der Kamerad, ein junger Mann aus Leverkusen und erkundigte sich nach Josef, nachdem er obige Geschichte unterbreitet hatte. Da er nicht nach Hause gekommen war, vermuteten wir das Schlimmste.
    Am nächsten Morgen begab ich mich auf die Nachforschung. Mit einem alten Fahrrad fuhr ich los. Um auf die andere Rheinseite zu kommen, mußte ich bis Emmerich fahren. Etwa 160 km bis Stadtlohn.
    Beim Friedhofsverwalter erfuhr ich dann die traurige Gewißheit. Zusammen mit weiteren 5 jungen Soldaten war er auf dem Friedhof beigesetzt worden. Ich erfuhr die Grabstelle und den Hinweis, daß er der 2. von links im Massengrab seine Ruhe gefunden hat. Ich erhielt seinen Tascheninhalt u.a. sein Soldbuch. In der Kirche sei er verstorben. Es war am Karfreitag 1945!
    Ich fuhr nach Ahaus zur Bezirksstelle und holte die Überführungsgenehmigung. Am nächsten Tag radelte ich mit der traurigen Nachricht zurück. Große Trauergemeinde, aber man hatte jetzt Gewissheit und die Unwissenheit ein Ende.

    Was mag in der Mutter vorgegangen sein? Sie war hochschwanger und sah ihrer Niederkunft entgegen. Eine Fehlgeburt hätte es geben können. Schweren Herzens mußte sie sich fügen.
    Wir ließen einen Zinksarg bei Heini Klein in Langel herstellen und begaben uns mit dem Holzkocher (Anm.: Fahrzeug, das mit einem Holzkocher betrieben wurde) nach Stadtlohn. Schwager Josef, Heini Klein und ich nahmen die Ausgrabung vor. Zum Schluß konnte ich nicht mehr mitmachen. Wie vom Friedhofswärter angekündigt fanden wir ihn in einem langen Wehrmachtskradmantel, betteten ihn im Zinkearg. Traurige Heimfahrt!
    Am 8. September erfolgte hier auf dem Friedhof im Familiengrab die Beisetzung unter großer Beteiligung. Die Mutter saß am Fenster und mußte zusehen, wie ihr Liebling in Richtung Friedhof gebracht wurde. Was muß in ihr vorgegangen sein? Wie die Mutter Jesu unter dem Kreuz ihres Sohnes am Karfreitag wird sie empfunden haben, denn auch ihr Sohn starb am Karfreitag.
    Meine Gefühle kann ich beim besten Willen nicht wiedergeben.

    3 Tage nach der Beerdigung kam Adolf-Josef zur Welt! Freute die Mutter sich, oder saß der Schmerz vom Verlust ihren Josefs noch zu tief?

    Seit 1945 nehme ich jedes Jahr um 15 Uhr in der Kirche - Erinnerung an die Leidensgeschichte Christi - am Gottesdienst teil und gedenke nicht nur an den Tod Jesu-Christie sondern auch an Josef!

    Ich gedenke seiner und bete für sein Seelenheil!
    Herr, laß ihn ruhen in Frieden!



    Zurück | Übersicht | Weiter